Verlängerung der Lebenserwartung bei moderatem Alkoholkonsum
In prospektiven Beobachtungsstudien senkt ein moderater regelmäßiger Alkoholkonsum das Risiko, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu versterben. Da diese Erkrankungsgruppe die häufigste Todesursache in unseren Breiten ist, reduziert ein moderater Alkoholkonsum in diesen Studien auch die Gesamtsterblichkeit.
Starker Alkoholkonsum führt aber wieder zu einem Anstieg der Sterblichkeit durch die Alkoholkrankheiten, darunter auch Erkrankungen des Herz- und Kreislaufsystems. In der Summe ergiebt sich eine U-förmige Mortalitätskurve in Abhängigkeit des täglichen Alkoholkonsums [Abb. Lebenserwartung und Alkoholkonsum] (Thun u.a., 1997) (Keil u.a., 1997) (Berger u.a., 1999).
Abbildung:
Einfluß des regelmäßigen Alkoholkonsums auf die Lebenserwartung: Ergebnisse einer großen prospektiven Beobachtungsstudie mit 490 000 Menschen und 9 Jahren Nachbeobachtung (Thun u.a., 1997). 1 Drink entspricht 10 g Alkohol. Unterschiede in den bekannten Risikofaktoren wurden statisch ausgeglichen. Deutliche Reduktion der Mortalität (Anzahl der Todesfälle /100 000 Menschen) bei Männern um 30% durch die Senkung von tödlichen Herz-Kreislauferkrankungen. Bei Frauen ähnlicher Kurvenverlauf mit 40% Senkung der Mortalität (1 Drink/d) bei insgesamt niedrigerer Mortalität.
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Ursachen der Lebensverlängerung:
Ob der Alkohol selber oder die Inhaltsstoffe für die Senkung der Sterblichkeit verantwortlich sind ist unklar. Moderate Dosen von Alkohol senken die Kontraktionskraft des Herzmuskels und erweitert die peripheren Blutgefäße. Weiterhin wird das Lipoproteinmuster zugunsten des HDL-Cholesterins verschoben, dies hat einen gefäßschützenden Effekt.
Neben dem Weinkonsum ist auch der Bierkonsum protektiv, denn auch für den regelmäßigen Bierkonsum in einer deutschen Kohorte konnte die Reduktion der Sterblichkeit nachgewiesen werden. Das Risiko einer schweren Herz-Kreislauferkrankung wurde durch den regelmäßigen Alkoholkonsum halbiert (RR 0,51). Die Gesamt-Sterblichkeit zeigte einen U-förmigen Verlauf und war bei einer Alkoholmenge von 20-39 g am niedrigsten (RR 0,46). Ab einem Alkoholkonsum von über 80 g/d war keine Senkung der Sterblichkeit mehr nachweisbar (Keil u.a., 1997).
Statistische Überlegungen zu Studien bezüglich des Alkoholnutzens
Abstinenzlerfehler:
Die erhöhte Sterblichkeit in der Gruppe der Abstinenzler muß nicht zwingend durch den fehlenden Alkoholkonsum ausgelöst worden sein. Es wird postuliert, dass kranke Menschen von sich aus keinen Alkohol trinken und sich somit mehr Kranke in der Gruppe der Abstinenzler befinden. Dies allein könnte der Grund der erhöhten Sterblichkeit sein. In weiteres statistisches Problem ist die Gruppe der ehemalig-alkoholtrinkenden Menschen. Diese werden ebenfalls zu den Alkoholabstinenten gezählt, Folgekrankheiten (durch den ehemaligen Alkoholkonsum) werden so statistisch den Abstinenten zugesprochen. Der Abstinenzlerfehler könnte nur durch prospektiv-randomisierte Studien zu diesem Thema ausgeschlossen werden, diese sind aus ethischen Gründen nicht möglich.
Bewertung:
Solange der Nutzen des Alkohols nicht in prospektiv-randomisierten Studien nachgewiesen wurde, sollten Alhoholabstinente keinen prophylaktischen Alkoholkonsum betreiben. Menschen mit regelmäßigem Alkoholkonsum sollten auf die ideale Menge (max. 1 Drink/Tag) achten, da bei höherem Konsum kein erhöhter Nutzen nachweisbar ist und das Risiko für Alkoholkrankheiten deutlich zunimmt.
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